Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker*in (m/w/d)
Fachrichtung Karosserieinstandhaltungstechnik

Unternehmensgeschichte

UNSERE Unternehmensgeschichte


Karosseriehandwerk in Familientradition seit 1906

Mit Leib und Seele Karosseriebauer

Vorwort

Wer heute für seinen Handwerks- oder Gewerbebetrieb einen Lieferwagen oder LKW bis 7,5 Tonnen Gesamtgewicht anschaffen muss, der hat zwar eine breite Auswahl an Fahrzeugen, die angebotenen Lösungen ähneln sich aber alle. Die großen Nutzfahrzeughersteller arbeiten mit Systempartnern zusammen, die z. B. Standardkoffer ans Band liefern, die genormt sind und wenig Individualismus oder Phantasie erkennen lassen. Zu Beginn der Motorisierung im letzten Jahrhundert war dies noch grundlegend anders. Der Kunde hatte ein Idee, wie sein Fahrzeug aussehen sollte und ging mit diesen Gedanken zu seinem Fahrzeugbauer. Der zeichnete einen Entwurf und baute anschließend in enger Absprache mit dem Kunden dessen Lieferwagen, der oft ein Einzelstück war. In jeder größeren Stadt gab es solche Fahrzeugbauer, die oft aus Schmieden oder Stellmacherbetrieben hervorgegangen waren.

Die Gründung am 11.05.1906

Ein solcher Fachbetrieb wurde am 11. Mai 1906 von Gustav Raschke in Mülheim/Ruhr gegründet. Zuvor hatte der 1880 in Schlesien geborene Raschke als zünftiger Handwerksbursche nach damaliger Sitte Deutschlands Gaue und Flure durchwandert und sich bei verschiedenen Meistern Fachkenntnisse angeeignet. Einer seiner letzten Lehrherren war ein Stellmacher in Kettwig bei Essen. Im Nachbarort Heißen, einem Ortsteil der damals noch überwiegend landwirtschaftlich geprägten Ruhrstadt Mülheim wurde er sesshaft. In einer alten Ziegelei begann er seine ersten Stellmacherarbeiten auf eigene Rechnung. Entsprechend der Bedeutung der Landwirtschaft kamen seine Kunden in den ersten Jahren hauptsächlich aus diesem Bereich. Es wurden Pferdegespannfahrzeuge, Geschäftswagen, Karren, Räder und Kutschwagen hergestellt. Die Fahrzeuge waren von guter Qualität und Akzeptanz durch die Kunden, so dass er zwei Jahre später bereits mit seinen Mitarbeitern aus den angemieteten Räumlichkeiten umziehen musste und ein größeres Gebäude an der Hingbergstraße beziehen konnte.

Paul Raschke steigt ins Unternehmen ein

In den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts gewann das Kraftfahrzeug langsam aber sicher an Bedeutung im Verhältnis zu Pferdefuhrwerken. Diese Entwicklung zeichnete sich auch bei den Produkten von Gustav Raschke ab. Vermehrt wurden Aufbauten auf Motorfahrzeuge gefertigt. Diese Arbeiten waren aber in den ersten Jahren immer noch reine Stellmacherarbeiten. Paul Raschke, Gustavs 1904 geborener Sohn trat in die Fußstapfen seines Vaters. Auch er lernte den Beruf des Stellmachers und absolvierte anschließend der sich abzeichnenden Entwicklung gehorchend noch eine zusätzliche Ausbildung zum Karosseriebauer. Während seiner Ausbildung arbeitete er u. a. auch bei verschiedenen Firmen in Wuppertal, der damaligen Hochburg des Karosserie- und Fahrzeugbaus.

Die ersten motorisierten Fahrzeugaufbauten entstanden

Zurück im väterlichen Betrieb erlebte er die ständige Weiterentwicklung im Karosseriebau. Wurden zunächst für alle möglichen Handwerker wie Bäcker, Metzger, Milchhändler usw. Wagen gebaut, vor die ein Pferd gespannt werden konnte, so verließen zu Beginn der Dreißiger Jahre vermehrt die schwach motorisierten Tamag-Dreiräder die Werkstatt von Raschke. Die Handwerksbetriebe konnten sich beim Einsatz dieser Transporter das Pferd sparen. Ein bei den ersten Fahrzeugen noch ungeschützt oberhalb des Antriebsrades frei stehender Motor trieb diese dreirädrigen Minimalfahrzeuge an. Raschke setzte dabei den gleichen Holzaufbau, den er zuvor auf das Gestell eines Pferdefuhrwerkes gebaut hatte, nun auf das von der Berliner Firma Tamag angelieferte Fahrgestell und konnte von dieser Konstruktion etliche Lieferwagen im gesamten Ruhrgebiet an den Mann bringen, d. h. an diverse Handwerksbetriebe verkaufen.

Ansprüche der Kunden stiegen

In den Folgejahren stiegen die Ansprüche der Kunden. Fortan wurden komfortablere Lieferwagen auf richtige PKW-Fahrgestelle gebaut. Dazu lieferte der Kunde in der Regel das Basisfahrzeug an und Raschke setze formschöne Kofferaufbauten darauf. Entsprechend des mannigfaltigen Angebots an Fahrzeugen zu jener Zeit gab es Aufbauten auf Ford, Opel, Fiat, Chrysler usw. Die Arbeiten an den Aufbauten begannen meistens erst beim Eintreffen der Fahrgestelle, da viele Dinge angepasst werden mussten und eine Standardisierung der Koffer und Pritschen noch nicht stattgefunden hatte. Der Endkunde musste also oft sein Fahrzeug kaufen und auch bezahlen, konnte es dann aber erst Wochen oder gar Monate später wirklich nutzen, da dann erst das Fahrzeug um den Aufbau ergänzt worden war.

1924

Bereits 1924 versuchte sich Raschke erstmalig auch an einer größeren Fahrzeuggattung, den Omnibussen. Zunächst entstanden Aufbauten auf Dreirädern. Doch schon bald gab es auch elegante Busaufbauten für Kunden aus dem näheren Umkreis von Mülheim auf Ford-, Mercedes-, Magirus- und Hansa-Lloyd-Fahrgestellen. Bereits in den Dreißiger Jahren baute Raschke auf einen Mercedes-Benz einen Wechselaufbau für die Firma Lethen in Essen. In der Woche transportierte der LKW mit einer Pritsche versehen Güter, am Wochenende konnte mit einem Busaufbau manche Reisegruppe befördert werden. Die Reisebusse von Raschke konnten auch in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg durchaus mit den Kreationen bekannterer Busbauer mithalten. Mit dem Aufkommen der selbsttragenden Karosserien in den Fünfziger Jahren waren die auf modifizierte LKW-Fahrgestelle gebauten Raschke-Busse jedoch nicht mehr konkurrenzfähig und der Mülheimer Karosseriebauer konzentrierte sich wieder auf Aufbauten für Nutzfahrzeuge.

1950

1950 verstarb der Firmengründer Gustav Raschke, der von 1928 bis zu seinem Tod Obermeister der Wagner- und Karosseriebauer-Innung für die Stadtkreise Mülheim/Ruhr, Essen und Oberhausen war. Sein Sohn Paul übernahm nicht nur die Leitung des Betriebs, sondern auch seine Nachfolge in der Handwerksorganisation. Mit Pauls Tochter Edith trat 1952 die nächste Generation in das Unternehmen ein. Obwohl sie bis heute im kaufmännischen Bereich der Firma tätig ist, hätte sie sich auch vorstellen können, Karosseriebaumeisterin zu werden. Rückblickend stellt sie jedoch fest, dass das damals nicht denkbar war. Trotzdem hat sich ihre Tätigkeit nicht nur auf das Arbeiten am Schreibtisch beschränkt. Sie erinnert sich noch gut an die ersten Überführungsfahrten von Omnibusfahrgestellen. Mit einem nagelneuen Führerschein und einer Sturmhaube versehen holte sie Fahrgestelle aus Stuttgart, auf die im väterlichen Betrieb anschließend Karosserien gebaut wurden. Edith Neitzel erinnert sich auch noch sehr gut an die jeweilige Auslieferung eines fertigen Omnibusses. Das war keine anonyme Auslieferung. Jede Busfertigstellung und Übernahme durch den Kunden war mit einem Betriebsausflug verbunden. Das fertige Werk musste schließlich getestet werden. Dies war möglich, da enge, oft langjährige Beziehungen zu den Kunden bestanden. Mit der Übergabe des Fahrzeugs war auch immer die Abrechnung verbunden. Der Kunde erhielt die Rechnung und zahlte den vereinbarten Preis.

1956 bis heute

1956 konnte der Betrieb sein fünfzigjähriges Bestehen feiern. In dieser Blütezeit des Unternehmens standen die modernsten und neuesten technischen Errungenschaften und Maschinen zur Verfügung. Paul Raschke bot in einer Anzeige seine Dienstleistungen wie folgt an: „Karosserie- und Wagenbau, Neuanfertigung von Karosserien für Fahrzeuge jeglicher Art und Branche, nach eigenen und gegebenen Entwürfen. Beseitigung von Unfallschäden an Liefer- und Personenwagen aller Art. Autolackiererei mit Heißluft-Trockenanlage, Autosattlerei und Verglasung.“ Für diese Tätigkeiten stand damals ein guter Stamm fachlich geschulter Mitarbeiter von etwa 30 Personen zur Verfügung. Bis zum Ende der Sechziger Jahre und vereinzelt auch noch zu Beginn der Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts baute Raschke individuelle Fahrzeuge auf. Doch mit dem Aufkommen der werksseitigen Aufbauten und der damit verbundenen Großserienfertigung nahm der Bau neuer Fahrzeuge in Mülheim stetig ab. Die Firma Karosseriebau Raschke konzentriert sich seitdem auf die Beseitigung von Unfallschäden und das Lackieren von Fahrzeugen. Edith Neitzel, die Enkelin des Firmengründers, hat das Geschäft mittlerweile an ihre Söhne Knut und Kai übergeben, die als Karosseriebau- und Fahrzeug-Lackierermeister dafür sorgen, dass der Name Raschke auch weiterhin über die Stadtgrenzen von Mülheim hinaus für solide Handwerksarbeit steht, so wie seit mehr als einhundert Jahren.
Text: Manfred Koch
Veröffentlicht: 2009 unter www.powalski.com
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